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„Reisen ist großartig, stellt uns jedoch vor ein Problem: es erfordert unsere Anwesenheit“. Das sagt Alain Botton, ein ziemlich geistreicher, wenn auch ein wenig langweiliger, in der Schweiz geborener Philosoph, der ganz offensichtlich noch nicht die Gelegenheit hatte, Jairo Zavala alias Depedro zu treffen. Dann nämlich hätte er realisiert, dass Jairo einer dieser Menschen ist, die sich sowohl darauf verstehen allein zu sein, als auch mit anderen – und er würde außerdem "El Pasajero" (Der Reisende) auf einer Liste der besten Reisen vermerken, die man für kaum mehr als 10 Euro unternehmen kann.
„El Pasajero“ ist ein Album, das leise und doch voller Klänge ist, simpel und doch facettenreich, zurückgenommen und doch grenzenlos. Es ist außerdem ein schlankes Album, stellenweise magisch, anders als fast alles, was man dieser Tage ansonsten zu hören bekommt, ein Album mit seiner eigenen klanglichen und dichterischen Sprache. Und es wartet mit einer Überraschung auf: Jairo Zavalas Unangepasstheit, sein beständiges Suchen und sein persönliches Universum gehen hier eine Einigkeit und Geschlossenheit ein, erlangen eine Tiefe und Schönheit, die bewegend sind und die Kraft zur Veränderung haben. Nach dem Eintauchen in „El Pasajero“ ist man nicht mehr derselbe.
Jairo sagt, dass sein „Pasajero“ nichts mit dem „Passenger“ von Iggy Pop gemein hat. Er ist nicht der Fahrer, er hält nicht die Zügel. Vielmehr ist er ein Beobachter, der die Reise genießt, sie lebt und überlebt, von ihr lernt. Dieser Reisende könnte jeder der Tausenden von Menschen sein, deren Pfade Jairo kreuzte, während er unermüdlich die Welt bereist, Leute, die nach der Sonne suchen, die ihren Hoffnungen und Träumen nachhängen, all die unsichtbaren Menschen, von denen er auf einem der perfektesten Songs des Albums singt, „Déjalo ir“, ein tiefempfundenes Stück, das uns ermutigt, jenen Gehör zu schenken, die wir sonst oft ignorieren.
Jeden Tag bevölkern diese Reisenden die Panamericana, jene Verkehrsader Amerikas, die sich von Alaska bis zum Tierra del Fuego erstreckt, eine Metapher für die große Reise des Lebens, die nun ihre Hymne in Form des Album-Openers „Panamericana“ hat, ein Song, der zum Tanzen, Denken und Lachen animiert und den man so schnell nicht vergisst. Viele dieser Reisenden kommen in Mexiko-Stadt an oder passieren es zumindest, jene riesige Metropolis, über die Depedro gemeinsam mit Enrique Bunbury singt – ein unschlagbares Beispiel dafür, wie man eine Stadt mit Klängen malt. Der Song hat sein Gegenstück in “Hay algo ahí”, eine Erinnerung daran, dass die Welt so schlecht nicht ist und dass eine Menge Gutes in all den Menschen steckt, die diese Welt zu dem machen, was sie ist.
Außerdem verbeugt sich das Album vor den ersten Reisenden, vor Afrika, dem Quell der Energie, die den Funken für dieses Album entfachte, das mehr als drei Jahre nach „La increíble historia de un hombre bueno“ erscheint. Diese Energie ist zu spüren auf „Gigantes“, das uns daran erinnert, dass es keine Rolle spielt, wo du herkommst, sondern wo du hingehst. Sie schwingt auch mit auf dem niederschmetternden „Antes de que anochezca“, das afrikanische und nordamerikanische Musik verschmelzt und in dem Jairo die Gitarre spielt, als sei sie eine Kora. Der Song packt einen tief drinnen, hebt einen empor und reißt einen hinfort, ein Song, der den großen John Convertino zutiefst bewegte, als sie ihn aufnahmen.
Die Aufnahmen des Albums waren der wohl ungewisseste Teil der gesamten Reise – Jairo und Calexico im Studio in Tucson / Arizona, fünfzehn Tage im eiskalten Dezember, analoge Aufnahmen ohne jegliche Fehlertoleranz, in die man sich kopfüber stürzte, auf der Suche nach Gefühlen, Aufrichtigkeit und der Magie des Momentes. Das Album enthält exquisite Bläser, ein Streicherquartett, Arrangements von Devotchkas Tom Hagerman und Musiker des städtischen Philharmonie-Orchesters, die von „Dreht auf, dreht auf, das ist Rock!“-Rufen angespornt wurden. Und sie drehten auf – sanft, fast hypnotisch, auf „La casa de sal", einer Reise zurück in die Kindheit, dann erneut auf „Ser valiente“, einem weiteren Juwel des Albums und einem Statement über das Leben: man muss wirklich mutig sein, um zu behalten, was man am meisten will.
Und inmitten dieser bunten Farbmischung schlummern das helle und wonnige „Solo el sonido“, das überraschende, 50s-inspirierte „Acuérdate“ mit Gesang von Gaby Moreno und das intime, fast minimalistische „Miedo“, ein ganz spezielle Bittschrift, die noch lange nach dem Hören nachwirkt.
Jairo sagt, dass er als Reisender mit immer weniger und weniger Sachen unterwegs ist, nur jene, die ihm am wichtigsten sind (mit dem Album verhält es sich ebenso), und dass er versucht, mehr und mehr zu lernen. Als Reisender ist er überzeugt, dass man, wenn man sich erst einmal auf den Weg gemacht hat, nicht mehr kehrtmachen kann. Man muss vorwärts gehen oder andernfalls stillstehen. Glücklicherweise weiß Depedro nicht, wie man stillsteht.
Depedro: “El Pasajero”
Veröffentlichungsdatum: 23. September 2016
Tracklisting CD:
1.- Panamericana
2.- Hay Algo Ahí (1st single)
3.- La Casa de Sal
4.- DF feat. Bunbury (3rd single)
5.- Déjalo ir (2nd single)
6.- Antes de que anochezca
7.- Acuérdate
8.- Solo el Sonido
9.- Gigantes
10.- Ser Valiente
11.- Miedo
Vinyl Bonus-Tracks:
1. Un Momento
2. La Bala
3. Con Toda Palabra