Lianne La Havas

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Ende Februar rief sich Lianne La Havas mit dem emotional ergreifenden Soul-Juwel "Bittersweet" zurück in unser musikalisches Bewusstsein. Begleitet wurde die Rückkehr von der Ernennung zu Annie Macs „Hottest Record“, einer atemberaubenden Live-Show im Londoner Barbican mit dem BBC Symphony Orchestra & Jules Buckley und einer herausragenden "Colors"-Session, die allesamt keinen Zweifel ließen: die Musikerin aus South London ist 2020...

Ende Februar rief sich Lianne La Havas mit dem emotional ergreifenden Soul-Juwel "Bittersweet" zurück in unser musikalisches Bewusstsein. Begleitet wurde die Rückkehr von der Ernennung zu Annie Macs „Hottest Record“, einer atemberaubenden Live-Show im Londoner Barbican mit dem BBC Symphony Orchestra & Jules Buckley und einer herausragenden "Colors"-Session, die allesamt keinen Zweifel ließen: die Musikerin aus South London ist 2020 zurück auf der musikalischen Landkarte.

Nach einer Premiere bei Beats1 „World Record“ und einer Unterhaltung mit Zane Lowe über ihr kommendes Album freut sich Lianne nun, den neuen Track „Paper Thin“ zu teilen. Der bewegende, sinnliche Song hebt in all seiner eindringlichen Schlichtheit Liannes unglaubliche Stimme hervor und gibt den Ton für das restliche Album vor. Es ist ein Track, der der das süße Gefühl der Liebe mit der Erschöpfung mischt, für diese zu kämpfen und damit sinnbildlich für die Offenheit steht, die das Album „Lianne La Havas“ verströmt. Es ist komplett authentisch, geboren aus wahren Erlebnissen und wahrhaftigem Ausdruck.

„Dies ist das erste komplett selbstproduzierte Album mit meiner eigenen Band“, sagt La Havas, zu Recht zufrieden damit, im Herzen des Aufnahmeprozesses gewesen zu sein. „Ich habe für alles meinen eigenen Weg – sämtliche Entscheidungen, die man auf diesem Album hört, waren meine. Als mir bewusstwurde, dass es tatsächlich erscheinen wird, hatte ich daher eine andere Art von Gefühl als bei den vorhergehenden, da es ungeschützter ist, intimer“, sagt sie, und beginnt zu lachen. „Wie nervös ich bin, merkte ich jedoch erst, als ich mit den Vorbereitungen für die Veröffentlichung begann!“

Fans und Freunde der Sängerin mussten sich eine Weile auf den Nachfolger des vielgepriesenen zweiten Albums „Blood“ gedulden – fünf Jahre, um genau zu sein. Doch im Entstehungsprozess des Albums wurde nicht ein einziger Moment sinnlos verschwendet. In Kürze wird sich ein jeder selbst davon einen Eindruck machen können, schon jetzt gibt La Havas ihr Wort darauf: „Ich wage zu behaupten, dass ich einem puren künstlerischen Ausdruck noch nie so nahgekommen bin. Wer mich zuvor nicht kannte, dem würde ich mit einem guten Gefühl sagen können: ‚Das bin ich. Dieser Mensch bin ich.’“

Bis dahin war es eine ziemliche Reise. Auch geografisch: La Havas verbrachte viel Zeit damit, zwischen dem UK und den Vereinigten Staaten hin- und herzuziehen, um an ihrem Songwriting zu arbeiten und ihre eigene Identität zu erkunden. Als Teenager hatte sie das Aufwachsen in London als Herausforderung empfunden: „Es scheint so einfach, zu jemandem zu sagen: ‚Oh, sei einfach du selbst’“, sagt sie. „Tatsächlich verbringst du dein ganzes Leben damit, zu entdecken, was das ist.“ Seit ihrem ersten Aufenthalt in L.A. fühlte sie sich jedoch entspannter – befreit von Geschichte und Erwartungen.

Es fühlte sich wie ein Ort an, an dem man sich entfalten kann. Teils dank der Kreativbranche der Stadt und einer Art Fleißige-Biene-Arbeitsethos: „Die Geisteshaltung ist eine andere – jeder ist bereit ins Studio zu gehen, zu jeder Zeit!“ Und, auf einer tieferen Ebene, kulturell. „Schwarze Kultur in den USA hat eine ganz eigene Schönheit. Sie hat einen Stolz, der toll ist. In seinem Anderssein akzeptiert und ermutigt zu werden, ist ein großartiges Gefühl, denn ich habe mich sehr lange selbst nicht akzeptieren können. Ich habe das Gefühl, Amerika hat mir dabei geholfen.“

Dazu passend, fühlt sich Lianne La Havas weitläufig und leuchtend an. Seine sonnengetränkten Sounds erinnern zeitweise an den brasilianischen Sänger, Songwriter und Gitarristen Milton Nascimento (auf „Seven Times”). Ebenso jedoch hört man die Curveball-Akkorde von Joni Mitchell und Jaco Pastorious’ Jazz-Erkundungen („Green Papaya”) oder die stolpernden Drums und einladende Wärme eines Al Green in seiner goldenen Ära („Read My Mind”). Und dem gesamten Album liegt ein Gefühl von Empowerment zugrunde, das seine Wurzeln im glasklaren 90er-R&B von Destiny’s Child hat.

Als La Havas ihr Debütalbum Is Your Love Big Enough? (2012) veröffentlichte, verspürte sie ein Unbehagen hinsichtlich ihrer Musik, die – ausgehend von der Farbe ihrer Haut – als Soul bezeichnet wurde. Heute definiert sie gekonnt ihre eigene Beziehung zur Bedeutung des Wortes Soul: „Ich habe immer gesagt, dass ich denke, jedes Genre kann soulvoll sein, solange du in der Musik deine Wahrheiten erzählst“, sagt sie. „Soul bedeutet für mich, eine authentische Reaktion auf ein authentisches Gefühl zu zeigen.“

Was also ist die Wahrheit von Lianne La Havas? Offenkundig spannen seine zehn Songs den Bogen einer Liebesbeziehung. Der Opener des Albums, „Bittersweet“, ist eine Art Einleitung, die das nun Folgende darlegt, gefolgt vom überschwänglichen, liebestrunkenen „Read My Mind“. „Ich hatte dieses Gefühl nur ein paar Mal in meinem Leben“, sagt La Havas, „doch zuvor hatte ich nie einen musikalischen Moment gefunden, um darüber zu sprechen. Wenn ich das Gefühl von Liebe in Akkorde packen könnte, dann in diese – klanglich fühlt es sich für mich schlicht wie Ekstase an.“ Es ist ein ungeniert sinnliches Gefühl, das La Havas als „den unkontrollierbaren Drang nach Kontakt“ bezeichnet. Wie auch beim Rest des Albums liegt die Betonung darauf, nicht die Coole zu spielen – vielmehr „liegt eine Coolness darin, aufrichtig mit deinen Gefühlen zu sein.“

Es ist – auf die natürlichste, unbekümmertste Weise – ein sexy Album. „Ich bin jetzt eine erwachsene Frau, daher bin ich weniger schüchtern und zaghaft, wenn es darum geht, bestimmte Dinge zu sagen“, so La Havas. „Und es gibt kein Falsch oder Richtig, wenn es dein eigenes Album ist, auch deshalb ließ ich es sehr zu.“

Falls einen die ersten paar Songs an eine Blume erinnern, die ihre Blüten öffnet, so ist dies kein Zufall: „Was bei dem Album eine große Rolle spielt, ist die Vorstellung eines Lebenszyklus von Pflanzen und Natur – und diese Reise mit einer jahreszeitlichen Sache gleichzustellen, die gedeiht, aufblüht, verschwindet und nur noch stärker wieder zurückkehrt“, so La Havas. Über den Verlauf der fünf Jahre, die in die Entstehung dieses Albums flossen, beobachtete sie immer wieder die Veränderungen des Blattwerks vor ihrem Fenster in South London und stellte fest, wie auch sie selbst wuchs und sich entwickelte – nicht immer ein vergnüglicher Prozess: „Eine Blume muss austrocknen und sterben, um wiedergeboren zu werden“, sagt sie. „Du musst deinen Tiefpunkt erreichen, um dich selbst wieder aufzubauen.“

Es war nicht leicht, mit dem Album zu beginnen. „Ich setzte alles daran, überhaupt etwas zu schreiben, denn ich hatte für eine lange Phase mein Selbstvertrauen verloren“, sagt La Havas. Sie erinnert sich, mit einem Gefühl komplett leerer Hände beim Studio anzukommen, so als könne sie weder Gitarre spielen noch Melodien schreiben und hören. In der Folge jedoch, wann immer sie einen Song oder nur ein Fragment hörte, das sie in Aufregung versetzte, hielt sie daran fest. „Einige der Bestandteile, die man auf dem Album hört, existieren bereits seit fünf Jahren, doch ich hatte seinerzeit nicht den Mut, sie fertigzustellen“, sagt sie.

Unter anderem war La Havas erschöpft vom pausenlosen Touren. Zudem war es eine Zeit großer Verluste im Leben der Sängerin. Als sie 25 war, starb ihre Großmutter, mit 26 Jahren verlor sie dann ihre Urgroßmutter. Im selben Jahr, 2016, verstarb außerdem ihr kreativer Mentor Prince. „Du veränderst dich, auf eine nachhaltige Weise“, sagt sie dazu. „Mein Leben veränderte sich sehr, ich erlangte danach definitiv eine andere Art von Reife.“

Ein Wendepunkt ereignete sich, als La Havas einen Gig in der Londoner Venue EartH spielte und sie überwältigt von den Rückmeldungen ihrer Fans war. „Ich dachte bei mir: ‚Nun, sie wären vermutlich nicht hier, wenn ich nichts draufhätte’“, erinnert sie sich. „Ich glaube, sie sehen etwas in mir, dass ich selbst vielleicht auch ein wenig mehr in mir sehen sollte.“ Besonders hatte sie die Freude am Singen vermisst, nachdem sie eine gewaltige Tour abgeschlossen hatte. Das Konzert stellte ihr Selbstvertrauen wieder her und verband sie aufs Neue mit ihrer Stimme: „Die Sache ist: ich liebe das Singen“, sagt sie mit einem Lachen, „und ich würde es selbst dann tun, wenn niemand zuhörte.“

Der tatsächliche Aufnahmeprozess begann dann eher zufällig: nachdem sie im Juni 2019 von einem großartigen, sonnigen Festivalauftritt beim Glastonbury zurückgekehrt war, überlegten La Havas und ihre Kernband, wie sie ihre geschmeidige Live-Version von Radioheads „Weird Fishes” im Studio auf den Punkt hinbekommen konnten. „Diese Aufnahme war für mich ein wunderbares, erfüllendes Erlebnis“, sagt sie, „und das war der Moment, in dem ich entschied: der Rest des Albums muss genau so sein. Es muss meine Band sein und ich muss es in London machen, wann immer die Leute Zeit haben.“ Im Oktober hatte sie sämtliche zehn Songs beisammen, im Dezember war alles aufgenommen – hauptsächlich in London, außerdem in Bath und New York. Um das intime Gefühl des Albums beizubehalten, ist jeder der Beteiligten ein vertrauter Kreativpartner, darunter der langjährige Songwriting-Verbündete Matt Hales, Co-Produzent Beni Giles und Gast-Co-Produzent Mura Masa.

Das von La Havas entwickelte Selbstvertrauen – persönlich wie kreativ – wird daran hörbar, dass Lianne La Havas ein Album ist, von dem ein Gefühl unglaublicher Echtheit ausgeht – es ist ein lebendes, atmendes Etwas. Es wurde nicht bis auf den letzten Quietscher poliert, um eine „saubere“ Aufnahme zu haben. La Havas folge auf diesem Album ihrem Bauchgefühl und tat, was sich gut anfühlte. Einen Eindruck davon wie gut, vermittelt ihre wunderschön rauchige Stimme im Song „Paper Thin“.

Schönheit ist Definitionssache, und Lianne La Havas ist dafür ein atemberaubendes Beispiel. Nunmehr 30 Jahre alt, freut sie sich unglaublich darauf, die kraftvollen Songs live zu spielen. „Das Beste daran ist, dass es meine sind und ich wirklich an sie glaube“, sagt sie. „Das bin wirklich ich. Daher kann ich gar keine Angst davor haben, zu tun, was ich tue, und zu sein, wer ich bin.“

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