Mariza

Bild von Mariza

Bereits die ersten Takte von „Mariza Canta Amalia“ machen süchtig. Mariza, die den Fado, die traditionelle Liedform Portugals, in den vergangenen zwei Dekaden modern gestaltete, erzählt dazu von Freude, Liebe, Fernweh und Weltschmerz. Mit warmem Timbre schafft sie Bilder voller melancholischer Schönheit, die inzwischen überall auf der Welt wie kostbares Seelenfutter gehandelt werden. Gebettet in glänzende Akustik-Arrangements, erhebt Mariza ihre...

Bereits die ersten Takte von „Mariza Canta Amalia“ machen süchtig. Mariza, die den Fado, die traditionelle Liedform Portugals, in den vergangenen zwei Dekaden modern gestaltete, erzählt dazu von Freude, Liebe, Fernweh und Weltschmerz. Mit warmem Timbre schafft sie Bilder voller melancholischer Schönheit, die inzwischen überall auf der Welt wie kostbares Seelenfutter gehandelt werden. Gebettet in glänzende Akustik-Arrangements, erhebt Mariza ihre Stimme zur Feinausrichtung unserer individuellen und kollektiven Sinne. Eine Sängerin, deren großes, melodisches Stehvermögen, und deren Phrasierungen heilen können? Geht das? Beobachtet man die vielen tausend Zuhörer von Marizas Konzerten im Pariser Olympia, in der New Yorker Carnegie Hall oder in den Konzerthäusern ihres Heimatlandes Portugal, gelingt ihr dieses Kunststück mit beindruckender Nonchalance. Da fließen Tränen der Rührung, es wird gejammert und gefeiert, wenn Mariza den „Blues der Portugiesen“ singt.  Beinahe eigenhändig hat sie dafür gesorgt, dass der Fado in unserer Zeit angekommen ist. Sie selbst sieht sich bescheiden als Interpretin von Emotionen. Dabei wird ihr längst die Verehrung zuteil, auf die normalerweise nur Popstars bauen können.

Marisa „Mariza“ dos Reis Nunes, Tochter eines Portugiesen und einer Mosambikanerin, wuchs umgeben von Musik auf. Die Eltern unterhielten im Lissaboner Stadtteil Mouraria eine Taverne, in der abends viel Wein floss, auf dessen geleerten Flaschen die Kerzen wie das Herzblut tropften, das Fadistas regelmäßig auf der kleinen Kneipenbühne vergossen. Die markerschütternde Ausdrucksform Fado, der die junge Mariza Abend für Abend lauschen konnte, ließ sie nicht mehr los. Mit geradezu religiösem Eifer studierte sie die Musikkultur ihres Landes, die überlieferten Lieder und die großen Interpreten des Fado. In der Gegend, in der sie aufwuchs, empfand man es als großes Kompliment, wenn einer singenden Geschichtenerzählerin das Prädikat „Fadista“, Fado-Sängerin zugesprochen wurde. Niemand, nicht mal Mariza selbst, konnte damals ahnen, dass sie zur weltweit wichtigsten, modernen Botschafterin des Fado der Gegenwart werden sollte. 2011 war es einem ihrer Auftritte geschuldet, dass der Fado von der UNESCO ins immaterielle Weltkulturerbe aufgenommen wurde. Längst zieren unzählige Gold- und Platin-Awards ihr Zuhause in Portugal. Das sind schönglänzende Dokumente ihres durchschlagenden Erfolgs. Für die ewig musikreisende Mariza sind die daraus entstandenen Möglichkeiten, Fado-Song-Traditionen weiterhin fortschrittlich ausgestalten zu können, aber ihre eigentlichen Erfolge. Denn ohne ihr Wissen um die Tradition wäre es unmöglich, den Fado mit eigener Identität zu singen.

Den zweifellos größten Einfluss auf Mariza hatte Amália Rodrigues, die in diesem Jahr hundert Jahre alt geworden wäre.  Der Grand Dame des Fado widmet Mariza ihr neues Album „Mariza Canta Amália“. Die Songs wurden ganz traditionell mit der Portugiesischen und der Klassischen Gitarre eingespielt. Aber Mariza erhebt ihre Stimme diesmal, und das ist das besondere Merkmal ihres neuen Albums, vor allem flankiert von den großen Klängen eines Orchesters. Die Aufnahmen fanden zwischen Lissabon und Rio de Janeiro statt. Jaques Morelenbaum, der bereits Marizas Album „Transparente“ produziert hatte, das 2005 erschienen war und mit 3-fach-Platin ausgezeichnet wurde, übernahm auch diesmal die Produzentenregie. Für „Mariza Canta Amália“ schuf er eine Reihe einnehmender, beseelter Arrangements, die gleichsam klassisch und innovativ anmuten. Mariza öffnete er damit Räume, die es ihr ermöglichten, tief in die Strukturen der Songs einzutauchen, die ausschließlich dem Amália Rodrigues-Repertoire entstammen. „Ich liebäugelte bereits ein paar Jahre lang mit der Idee, ein Album voller Amália-Songs aufzunehmen“, erklärt Mariza. „Amálias Stimme, ihre Musik und ihre Seele leben in uns weiter. Sie ist eine herausragende Inspiration geblieben. Nicht nur für mich, sondern für alle portugiesischen, und auch etliche internationale Künstler. Wir alle tragen Amália in unseren Stimmen. In diesem Jahr feiere ich mein 20. Karrierejubiläum, das ich zum Anlass genommen habe, das Erbe und die Inspiration zu ehren, die Amália uns hinterlassen hat.“

Mariza und Amália verbindet nicht nur der Fado. Beide waren auch lange vor #metoo beispielhafte Vordenkerinnen für weibliche Selbstbestimmung. Dekaden bevor das Patriarchat Bühnenakteurinnen zähneknirschend deutlich mehr zugestehen musste als reinen Unterhaltungswert, hatte sich Amália dank ihres Muts zur Selbstermächtigung Vorbildcharakter für unzählige Frauen erkämpft. Mit Liebe. Dieser Tugend folgt Mariza heute auf ihre Weise selbstbewusst, selbstwertschätzend und beseelt. Mit ihrem erarbeiteten Erfahrungsschatz, dieser Weisheit, der kraftvollen, souveränen Art der Interpretation, bemisst sie die Größenordnungen einmaliger Amália-Klassiker wie „Gaivota“, „Estranha Forma de Vida“, „Com que Voz“, „Fado Português“, „Povo que Lavas no Rio“ und „Foi Deus“ neu. In den insgesamt zehn Stücken des neuen Albums wird Mariza ihren gewonnenen Awards, ihrem Erfolg, ihren vielgelobten Live-Aufführungen mehr als gerecht. Und sie übernimmt einmal mehr das Amt mit Bravour, das Amália einst innehatte: Das Amt der Botschafterin von Musik, Kultur und Talent.

Aktuelle Videos

News von Mariza

Zu allen News Arrow