Paul Weller

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Sowohl solo als auch mit seinen ehemaligen Bands The Jam und The Style Council schrieb Paul „The Modfather“ Weller in den letzten 40 Jahren Musikgeschichte. Seine sechs Alben mit der Punkrock- / Mod-Revival-/ Motown-Band The Jam definierten eine ganze Ära – die Zeit der großen britischen Musik gleich nach der Etablierung des Punk –, die fünf darauffolgenden Alben mit The...

Sowohl solo als auch mit seinen ehemaligen Bands The Jam und The Style Council schrieb Paul „The Modfather“ Weller in den letzten 40 Jahren Musikgeschichte. Seine sechs Alben mit der Punkrock- / Mod-Revival-/ Motown-Band The Jam definierten eine ganze Ära – die Zeit der großen britischen Musik gleich nach der Etablierung des Punk –, die fünf darauffolgenden Alben mit The Style Council erkundeten die Welt des Blue-Eyes-Soul, Jazz, Funk und New Wave, gefolgt von 13 Soloalben, die der vielfach ausgezeichnete Sänger, Songwriter und Musiker seit 1990 veröffentlichte.

Nun, am 14. September, folgt das neue Studioalbum „True Meanings“. Und um es gleich vorweg zu sagen: Das 14. Soloalbum von Paul Weller – zugleich das 26. Studioalbum seiner gesamten Karriere – ist anders als alle, die er zuvor gemacht hat. Es ist keine „Abkehr“ in dem Sinne, dass seelenentblößende, melancholische Songs seit jeher ein wichtiger Bestandteil seines Schaffens waren, von „English Rose“ über „Brand New Start“ bis hin zu „The Ballad Of Jimmy McCabe“ vom letztjährigen „Jawbone“-Soundtrack. Nie zuvor jedoch hat er sich gestattet, diese Seite seines Songwritings auf einem gesamten Album auszustellen oder auf diese Weise zu präsentieren.

„True Meanings“ ist ein Album, das geprägt ist von einer satten, prachtvollen und zugleich zartgliedrigen Instrumentierung: eine Ästhetik, die perfekt zu Pauls Stimme passt, die besser denn je ist und ihn einige seiner unverhüllt ehrlichsten Worte singen lässt. Mit seiner träumerischen, friedlichen, pastoralen Sammlung von Songs ist es ein Album, auf das viele seiner treuen Fans seit Langem warten, zugleich spricht es neue Menschen außerhalb seiner angestammten Zielgruppe an.

Am 25. Mai dieses Jahres feierte Paul Weller seinen 60. Geburtstag – ein Meilenstein, der zweifellos einen Einfluss auf das Grundgefühl von „True Meanings“ hatte, sowohl textlich als auch musikalisch. Es ist ein besinnliches Album, wie er einräumt („Angesichts meines bevorstehenden Sechszigsten gestattete ich mir, besinnlich zu sein“, sagt er, „obwohl ich mich damit nicht allzu lang aufhalten werde!“). Durch das Album ziehen sich Zeilen über das Leben, Sterblichkeit, Religion („Books“ wäre hier definitiv als Highlight zu nennen), das Vaterdasein, Freundschaft, Liebe und Glück: es ist der Sound eines Mannes, der rundum glücklich und zufrieden mit dem Punkt ist, an dem er sich nach sechs Jahrzehnten seiner Reise befindet.

„Ich bin in den letzten zehn Jahren wirklich im Einklang mit mir selbst gewesen, würde ich sagen“, so Weller. „Im Leben und einfach mit der Art, wie ich Musik mache. Ich weiß all das wirklich viel mehr zu schätzen. Früher habe ich mir Sorgen um das Altern gemacht, dass man seine Kreativität oder seinen Plan verliert, doch so hat es sich nicht bewahrheitet. Ganz im Gegenteil.“

Seinen Anfang nahm „True Meanings“ – das seinen Titel aus dem Vorboten „Aspects“ bezieht, den Weller am Tag seines 60. Geburtstages veröffentlichte – vor fünf oder sechs Jahren. Weller hatte seinerzeit einen Song – das schlendernde, melancholische, einzig von einer gezupften Akustikgitarre, Gesang und gelegentlichen Streichern getragene „Gravity“ –, der ganz offensichtlich besonders war, „jedoch weder auf ‚Saturns Pattern’ noch auf ‚A Kind Revolution’ passte. Also legte ich ihn für eine lange Zeit beiseite.“

Live spielte Weller den Song 2013 sogar bereits einige Male – ein sicheres Zeichen, dass er sich seines Potenzials vollauf bewusst war. Bald darauf entstanden einige weitere Songs, die in eine ähnliche Kerbe schlugen – „Glide“, „Old Castles“ – und plötzlich hatte Weller „den Grundstein für ein neues Album. In der Folgezeit schrieb ich einfach bewusst weitere Songs in dieser Manier: Ich begann Dinge mit dieser Art von Schlichtheit anzusammeln und mied jegliche Versuche etwas zu schreiben, das zu ausgeklügelt oder Band-orientiert ist. Ich meißelte für einige Jahre an dem Schreibprozess herum, auch während die anderen Alben entstanden sowie in der Zeit danach.“ 

All das mag danach klingen, als würde mit „True Meanings“ am Ende ein Soloalbum im wörtlichsten Sinne stehen – bestehend nur aus einem Sänger, seinen Songs und einer Gitarre. Und in mancherlei Hinsicht ist es das auch, so sind Streicher oftmals die einzige Erweiterung dieser ansonsten schlichten Palette. Das Paradoxe an Paul Wellers 14. Studioalbum ist jedoch, dass es zwar einerseits das purste Singer-Songwriter-Album ist, das er jemals aufgenommen hat, andererseits jedoch auch das gemeinschaftlichste, an dem mehr Gäste mitwirkten als bei jedem seiner vorherigen Alben.

Neben den Mitgliedern von Wellers Band spielt Rod Argent von The Zombies – der eines von Wellers liebsten Alben überhaupt erschuf, „Odessey & Oracle“ (1968) – die Hammond-Orgel in „The Soul Searchers“ sowie Piano und Mellotron in „White Horses“; die Folk-Legenden Martin Carthy und Danny Thompson steuern gezupfte Gitarre und Kontrabass zu „Come Along“ bei; Little Barrie spielt die Lead-Gitarre auf „Old Castles“; Lucy Rose singt in „Books“ mit; „Movin’ On“ ist das Ergebnis eines „kratzigen Demos auf meinem Telefon“, das er an Tom Doyle vom Projekt White Label schickte. „Ich bin niemals zu stolz, einen Song an jemand anderen zu geben und zu schauen, um was sie ihn bereichern könnten: darum geht es doch im Grunde“, sagt Weller. „Ich will stets sehen, was die Leute zu meinen Ideen hinzufügen können. Je älter du wirst und je mehr Sachen zu gemacht hast, desto wichtiger ist das.“

Bedenkt man, wie persönlich und introspektiv „True Meanings“ ist, dürfte in dieser Hinsicht wohl am meisten überraschen, dass die Texte zu vier der 14 Songs, zu Wellers Melodien, von anderen geschrieben wurden. Connor O’Brien von Villagers ersann die Worte zum Opener „The Soul Searchers“, während „Bowie“, „Wishing Well“ und der letzte Track „White Horses“ allesamt die textliche Arbeit Erland Coopers von Erland & The Carnival sind. „Sogar beim Schreiben bin ich nach einer Weile gelangweilt von meinem eigenen Repertoire an Vokabeln, weißt du?“, sagt Weller über den Prozess. „Daher wollte ich diese Songs einigen anderen Menschen geben, die ich bewundere und mit denen ich gern zusammenarbeiten wollte. Und ich war absolut angetan von den Resultaten.“

Als alle Songs erst einmal geschrieben waren, gingen die Aufnahmen von „True Meanings“ schnell. Die grundlegenden Tracks wurden in nur drei Wochen in Paul Wellers eigenen Black Barn Studios aufgenommen – unweit des Hauses in Woking, in dem er aufwuchs –, die oben genannten Gäste schauten hier und da wechselweise für einen Tag vorbei. Wenig später wurde die Orchestrierung hinzugefügt, und damit hatte es sich. Es ist stets ein gutes Zeichen, wenn die Albumaufnahmen zügig vonstattengehen, und in diesem Fall hört man schlicht, dass der Mann im Zentrum dieser Songs so fokussiert und inspiriert ist wie nie zuvor.

Ganz der Alte ist Paul Weller hingegen, wenn es darum geht, sich kaum einen Moment des Zelebrierens zu gönnen, des Ausruhens auf diesen nicht-einmal-veröffentlichten Lorbeeren. Wenn er sagt, dass er bereits weiß wie das nächste Album klingen wird und es das ist, worüber er derzeit nachdenkt, glaubt man ihm.

Für den Augenblick haben wir jedoch „True Meanings“: ein wunderschönes, einzigartiges Paul-Weller-Album. Ein wunderschönes, einzigartiges Paul-Weller-Album, das so gut – so großartig – wie jedes Album ist, das er je aufnahm.


Hamish MacBain, Juni 2018

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